Kleines Wunder 1976


“Ein kleines Wunder wird vorgestellt” Feature von Cristina Perincioli, Sender Freies Berlin, Juli 1976

Monika S.:
Ich spiele Bassgitarre, ansonsten studier ich Erziehungswissenschaften und Soziologie und ich jobbe auch in der Frauenkneipe dreimal in der Woche. (….) Hab mal früher als Blutsauger im Krankenhaus gearbeitet im Labor.

Monika Mengel:
Ich singe und mach Percussion in der Band. War vier Jahre Journalistin. Hab vergeblich versucht in einem Männeberuf Fuß zu fassen. (…) Nachdem ich mich anscheinend nicht ausreichend prostituieren konnte in diesem Beruf, was wirklich sehr wichtig ist als Frau: Man ist also mehr Sekretärin als Journalistin, obwohl man das Zeug dazu hätte. Bin dann zweimal rausgeschmissen worden aus Berliner Zeitungen, studier jetzt Geschichte, um mehr über meine eigene Geschichte raus zu finden und die Geschichte der Frauen.

Danielle de Baat
Ich spiele Gitarre und singe und habe bis vor paar Monaten in Amsterdam Kupferstiche gedruckt.

Cillie Rentmeister:
Ich spiele Klavier; singe und spiele Mundharmonika. Und ich hab Kunstgeschichte studiert und schreib da jetzt meine Doktorarbeit über ein Frauenthema.

Christel Wachowski:
Ich spiele auch Gitarre und hab insgesamt sechs Jahre im Büro gearbeitet und mich wegen der Monotonie für den zweiten Bildungsweg entschieden und studier jetzt Völkerkunde.
Die Gigi ist jetzt nicht da. Sie spielt Schlagzeug. Sie ist inzwischen nach Augsburg gezogen und die hat mal ne Lehre als Kirchenmalerin gemacht und ist mittlerweile Wirtin geworden.
Wir suchen jetzt ne Schlagzeugerin!

Monika S.:
Hey! Sei doch mal endlich ruhig‘ Ich spiel Schlagzeug!
Wir sind übrigens drei Monikas in der Band. Die Dritte ist die Monika Jäckel, die ist jetzt nicht da. Sie singt bei uns und schreibt auch Texte und ansonsten ist sie eigentlich Soziologin und arbeitet bei “Frauenoffensive”, in München, dem Frauenverlag.

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1974 – ein Wunder

Sieben Frauen machen zusammen Musik, das kommt schon mal vor. In der klassischen und in der Folkmusik. In der Rock-Musik aber ist kaum eine Frau anzutreffen. Außer als Sängerin, als erotische Zugabe. Eine Frau am Bass oder gar am Schlagzeug, wie Suzie Quatro sind bestaunte Einzelexemplare.
Denn außer Gitarre, Querflöte und Schellenring werden alle Instrumente in dieser Musikszene als “typisch männlich” angesehen. Ebenso ist Komposition und Texten Männersache. Und Management erst recht.
Die Musik, die dabei entsteht, kann man schließlich mit gutem Recht als “Männermusik” bezeichnen, dh. eine Musik, wo fast ausschließlich Männer sich ausdrücken, ihre Gefühle und ihre Ansichten verbreiten. Sie haben das Monopol.

Natürlich gibt es auch noch die “Oben-ohne-Frauenbands”, die aber nur in den entsprechenden Lokalen spielen. Hier dürfen Frauen zwar auch die “Männerinstrumente” spielen, doch es gibt im ganzen Musikgeschäft kaum eine Form, wo Menschen sich mehr prostituieren müssen als hier, wo Musikerinnen nur akzeptiert werden, wenn sie auch ihren Körper und ihre Sexualität verkaufen.
Auf dem Hintergrund dieser Betrachtungen kann man jetzt wohl besser verstehen, dass eine “selbständige” Frauenband in dieser Musiklandschaft ein kleines Wunder ist.

Die Frauenband “Flying Lesbians” tun genau das Gegenteil von dem was sonst für Frauen in diesem Geschäft üblich ist:
sie schreiben und komponieren ihre Lieder selbst,
machen die Technik alleine,
sind unabhängig von irgendwelcher Plattenfirma,
managen sich selbst
spielen nur vor Frauen,
und obendrein haben sie auch noch Erfolg mit diesem Rezept.
Der Erfolg zeigt sich z.B. darin, dass sie eine eigene LP auf den Markt gebracht haben und dass sie, wo immer sie spielen, volle Säle haben; beides Erfolge, von denen andere Amateurbands nur träumen können. Warum das so ist, woran es liegen mag, möchte ich in dieser Sendung untersuchen.

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Unterschied zu Männerbands

Ich habe dazu auch die männliche “Konkurrenz“ befragt: Udo Arnt und Michael „Fame“ Günther von den Berliner Rockgruppen „Os Mundi“ und „Agitation Free“, beides Gruppen, die die Frauenband am Anfang mit Technik und Wissen unterstützt haben, und Tom Müller von Capitol.
Tom definiert den Unterschied zwischen Capitol und den Flying Lesbians so:

Tom:
Wir wollen mit unseren Texten keine Mission erfüllen. Unsere Texte sind ein musikalisches Element. Wie jedes einzelne Instrument, was hier spielt. Die Stimmen sind uns dabei wichtig, weniger die Texte. Wenn‘s reinpasst, kann man auch “schubidubidu” singen.
Wenn die Flying Lesbians die Musik machen würden, die wir machen, würden sie als Frauenband gar nicht ankommen. Sondern sie machen ja Musik unter Berücksichtigung dieser Frauenbewegung, wo ja fast alle Mitglieder sind. Sie sprechen ja hauptsächlich Frauen an, spielen auch nur vor Frauen (…) Und dadurch werden die mit ihrer Platte auch einen Erfolg haben, das wäre also nichts für den kommerziellen Markt.

Fame:
Wenn wir proben, dann proben wir, um musikalisch perfekter zu werden, das ist das erste Anliegen. Übern Text, ne richtige Aussage, ne Idee, die hinter unserer Gruppe steht, da kann man sich kaum Gedanken machen.
Jetzt gibt es so und so viele Männerbands, die fleißig üben, sich abstrampeln, die also wirklich rumackern wie die Irren, sich ihre großen Anlagen zusammenkaufen, deswegen auch gut klingen auf der Bühne, alles so perfekt – und die kriegen in Quartier Latin vielleicht bloss 4o Leute hin. Also ne Band, die gut geht, wenn die 2oo Leute im Quartier haben, dann sind die schon so überglücklich, das ist schon herrlich. Und Stimmung ist da dann auch noch nicht!

Udo:
Aber jetzt musste dieses Phänomen erklären, dass zu Euch, der Frauenband ne ganze Menge Leute kommen, ziemlich voll ist, gute Stimmung auch – obwohl, und das wisst ihr ganz genau und das wissen auch die meisten Leute die euch hören, weil sie auch Platten kennen, dass das von der rein musikalischen Qualität nicht das Irrste ist.
Das heißt (…) dass eben der Inhalt, der dahinter steckt, dass es das ist, was die Leute hinkommen lässt und interessiert, was ihr macht, dass ganz deutlich ne Aussage für viele Leute da hinter steckt.

Warum haben denn die Männerbands keine Aussage, wofür die Leute kommen?

Udo:
(Lacht) Das ist die gute Frage!

Fame:
Sie wollen im Grunde genommen alle nur Musik machen, darum geht es. Musik als ein Mittel sich darstellen zu können, oder einen Louis machen zu können.

Cillie Rentmeister:
Bei uns sieht man schon an der Entstehungsart, dass wir eben anders gebaut sind als die. Denn wir sind auf einem Frauenfest entstanden, aus einem bestimmten Bedürfnis heraus, weil einfach ne Frauenband her musste. Während diese Bands deshalb entstehen, weil sie ‘ne Band machen wollen, weil sie Musik toll finden, oder weil sie in‘ s Geschäft kommen wollen.

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Entstehung

Wie ist denn diese Frauenband entstanden?

Cillie Rentmeister:
Vor zweieinhalb Jahren haben wir noch über SFbeat unsere erste Schlagzeugerin gesucht. Ein Jahr haben wir vor uns hingekrepelt, sind nix geworden, fünf, sechs Frauen – hatten sogar noch ne Geige dabei.
Doch dann gab es das große Fest in der TU, ein Frauenfest. Zwei Tage vorher fiel die englische Frauenrockband aus, da wurde über Telefon, über Nacht sozusagen eine Frauenband aus Berlin zusammengetrommelt. Ja! Die stand zwei Tage später auf der Bühne mit Instrumenten, geliehen von Os Mundi und einer Anlage, die aussah, als ob Chicago spielt! – Eine Riesenanlage! Keine Ahnung von Technik, kaum Ahnung von Musik und Gesang, noch ein paar selbst gefertigte Texte in der Tasche, die wir noch nie richtig zusammen gespielt hatten, einen Tag vorher konnten wir noch mal proben und dann ging am nächsten Tag das Fest los. Und das war ganz toll. Aber es war eben auch deswegen so toll, weil die Frauen so toll waren, die auf dem Fest waren. Die wussten genau, wir sind da das erste Mal und die fanden das ganz irre.
– Haben getanzt wie die Irren auf alles was irgendwie tanzbar war!
Am Mischpult hatten wir zwei Frauensitzen, die hatten das wohl schon mal bei den Männerbands gemacht…
– Ne, ne! Die hatten alle Regler festgeklebt (Lacher).
Die hatten die Männer vorher eingestellt und mit Tesa festgeklebt, die Regler!
– Aber einer nach dem ändern wurde dann gelöst! (Lacher)
(s. Fotos Frauenrockfest)

Monika S.:
Am Anfang hatten wir dann auch gleich die Gelegenheit, uns blendend zu verkaufen. Da kamen auch schon so Manager uns auf die Spur. So einer hat uns dann ein Angebot gemacht, uns fest unter Vertrag zu nehmen. Das hieß, wir müssten dann ca. 4 mal in der Woche für ihn spielen in irgendwelchen Schuppen – da hätten wir dann überhaupt keinen Einfluss mehr drauf – irgend eine Show abziehen, wahrscheinlich genau vorprogrammiert, genau gekleidet, genau abgestimmt auf Sound und Farbe, Und entsprechend mit den Brüsten wackeln, nehm’ ich an, und dafür bekamen wir dann monatlich ungefähr 2.ooo.-DM. Wobei dazu zu sagen ist, dass auf diesen üblichen Veranstaltungen zu 70% Männer sind und wir da auch einen besonderen Showeffekt geliefert hätten, allenfalls, – auf Musik wär‘s sicherlich nicht so besonders angekommen, sondern eben auf unsere Darstellung als scharfe Bräute auf der Bühne – ist ja auch ne Marktlücke.

Christel Wachowski:
Die dann auch noch lesbisch sind!

Cillie Rentmeister:
Wenn wir überhaupt so hätten heißen dürfen, das ist schon das erste – das zweite wäre, dass wir die Texte wahrscheinlich nicht mehr hätten selbst machen dürfen, zumindest nicht mehr in dem Sinne in dem wir sie jetzt machen, nicht mehr das sagen, was wir sagen wollen, das was uns angeht.

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Nur vor Frauen

Die Flying Lesbians spielen nur vor Frauen. Wie kommt das eigentlich, warum habt ihr euch dazu entschlossen?

Monika Mengel:
Also, das ist einmal die Entstehungsgeschichte, dass wir ne Band sind, die aus Frauen besteht, die in der Frauenbewegung waren. Und dann aus dem Bedürfnis der Frauenbewegung heraus angefangen haben, Musik zu machen. Und dass wir uns nur an Frauen richten wollen, sowohl mit unserer Musik, als auch mit den Texten.

Und wir wollen nicht vermarktet werden, nicht angeglotzt werden, wenn wir Musik machen. Monika S., die Bass spielt und ich, wir haben früher schon in Bands gespielt, in Bands, wo Männer die Musik machen.
Bei mir war das so, dass ich die vorgegebenen Texte, meist bekannte Songs gesungen hab und quasi nur ausführendes Organ war – eine mehr oder weniger attraktive Orchidee im musikalischen Salat. Ich wurde mehr angeglotzt, als dass man mir zuhörte. Meine Stimme wurde zwar als Unterlage für geile Tanzschritte verwendet, aber das war auch alles. Einmal bei einem Konzert, ging mir das so auf den Wecker, dass ich mich auf der Bühne hingesetzt hab und die Typen anschrie – ich sang ein Lied von Judy Driscol, “Break it up”, und da hab ich die nur noch angeschrien: “break it up”!, hört doch auf ihr Scheißkerle, ich hab die Nase voll! Die fanden das nur noch toll, dass ich mich so aufrege! Da bin ich aber weggegangen.

Monika S.:
Na ja, ich war halt ein Instrument und musste schon viel besser sein, als die Typen, nun war ich ‘s nicht. Da wusste ich das da nun also auf einer anderen Ebene bringen: Ich bin also raus aus der Gruppe und hab Go-go-Tanz gemacht!
Das mit dem Go-go-Tanz, das lief so ganz gut, ich hab da auch plötzlich mehr Geld bekommen. (Lachen) Irgendwann hat ich dann die Nase voll und hab dann wieder Bass gespielt und bin raus aus dieser ganzen Szene. Ich hatte total die Nase voll von dieser Art Musik zu machen und Männer da auch zu unterstützen. Wir hatten Soul gespielt und Texte, wie “Say it loud, I‘m black and proud!” also ziemlich mackerhafte Black Panther Ideologie verbreitet, – für mich war wirklich nirgendwo ein Platz.

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Geld

Wieviel Geld mussten die Frauen aufbringen, damit sie zu siebt in einer Band spielen können? Denn mit dem Instrument alleine ist es ja nicht getan; jede braucht dazu noch einen Verstärker und einen Lautsprecher?

Monika S.:
Rund 25.ooo.-DM

Habt ihr einen Kredit aufgenommen oder habt ihr irgendwen, der euch das alles bezahlt?

Cillie Rentmeister:
Wir bezahlen uns das alles selber. Und zwar aus der Privatschatulle! Vom selbst verdienten Geld. Deswegen haben wir es auch erst nacheinander angeschafft. Wir haben mit ganz kleinen, alten Klamotten angefangen, gebrauchten. Jetzt haben wir zwar auch z.T. gebrauchte Sachen, aber hochwertige. Deswegen dauerte es anderthalb Jahre, bis wir unsere Anlage so einigermaßen zusammen hatten.

War das für euch schwierig mit dieser Technik klar zu kommen? Bei Männerbands sieht man einen Haufen Techniker rumschwirren, die die Sachen auch tragen und daran rumfummeln, die Musiker haben damit eigentlich nichts zu tun? Wie ist es bei euch?

Monika S.:
Wir machen das selber: wir bauen auf, wir bauen ab mit Hilfe der Frauen im Saal. (..) Wir sind total unabhängig von Männern, wir brauchen auch keine Roadies zum aufbauen. Wir haben auch einen ganz guten Bezug zu unserer Anlage. Aus Transportgründen haben wir eine ganz kleine Anlage, keine dieser phallokratischen Powertürme, dafür leicht und schön zu transportieren – die meisten Veranstaltungen sind ja in Westdeutschland… die haben wir ganz gut im Griff, technisch.

Ihr verzichtet auf einen Manager oder eine Firma, die hinter euch steht, habt es also alleine geschafft eine ganze Anlage zusammen zuspielen oder zusammen zu sparen und jetzt habt ihr eure erste LP gemacht und auch das ohne Firma, sondern selbst organisiert, selbst das Geld zusammengebracht. Wie ist das überhaupt möglich?

Cillie Rentmeister:
In der Frauenbewegung funktioniert ein Kreislauf – oder fängt an, sagen wir mal. Es gibt schon einige Projekte, wie “Frauenoffensive“, „Frauenkalender“ und ähnliche, und die leihen uns Geld für die Platte. Wir rechnen natürlich auch damit, dass wir zumindest ab der 2.Auflage – bei der ersten wird nichts raus springen – aber ab der 2. Auflage Gewinne machen. Wir haben beschlossen, dass wir ja Berufe haben, und davon auch leben können, dass wir die Profite dann auch wieder in die Frauenbewegung oder in Projekte, die aus der Frauenbewegung kommen, reinstecken.

Christel Wachowski:
Wir können aber sagen, dass die Profite bei uns nicht so hoch sein werden, wie bei den üblichen Platten, weil wir für eine Platte nur 18.-DM verlangen, wogegen die Platten üblicherweise für 22.-DM verkauft werden, und diese 4.-DM Differenz sicherlich reiner Profit wären. Das sind dann 20.000.- DM bei einer Auflage von 5.000.

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Offensiv lesbisch

Warum sagt ihr so ausdrücklich, dass ihr lesbisch seid?
Warum muss das so provokativ sein?

Cillie Rentmeister:
Tja, es wirkt nur provokativ.
Es gab auch schwere Diskussionen unter uns, ob wir‘s machen wollen; die Entscheidung war überhaupt nicht leicht. Und zwar deshalb weil‘s Lesbierinnen noch gar nicht so gut geht, dass wir es uns leisten können zu sagen: wir sind lesbisch! Und das waren auch wirklich unsere Überlegungen.
Das heißt: Lesbierinnen sind noch lange nicht so toleriert, wie in liberalen Medien oft getan wird.
Die Probleme homosexueller Frauen sind andere als die von heterosexuellen Frauen: Angefangen von Berufsverbot bis über die ganzen Ängste des Versteckspielens. Stell dir also eine lesbische Lehrerin vor, die sich als Lesbe bekennt, die würde sofort rausfliegen und hätte wirklich lebenslang Berufsverbot mit der Begründung, dass Lesben keine Kinder erziehen dürften. Sie muss also immer den Freund vorkehren, den Verlobten oder wie auch immer.. Sie kann nicht mit ihrer Freundin auf den Lehrerball oder sonst wohin gehen. (..) Es gibt so viele Formen des Versteckspielens. Das hinterlässt dicke Spuren. Die Frauen stecken in einer Schizophrenie, sie müssen sich von dem, was sie eigentlich sind, trennen, müssen sich quasi immer neben sich stellen, so dass sie schließlich ihre Identität verlieren, durchdrehen. Es gibt ungeheuer viele Frauen in der Psychiatrie mit der sog. Diagnose “Lesbe”: für die orthodoxen Psychiatrie eine Krankheit.

Im L.A.Z. werden lesbische Frauen beraten. Wie sieht das aus? Du als Bandmitglied bist da auch bei gewesen, machst also auch die praktische Arbeit.

Monika S.:
Ich find Beratung für homosexuelle Frauen sehr wichtig, besonders für die Frauen, die nicht organisiert sind in Lesbenzentren oder Frauenbewegung, also grade die Frauen, die nicht die Gelegenheit haben, in Selbsterfahrungsgruppen oder in anderen Arbeitsgruppen ihre Probleme zu formulieren.

Cillie Rentmeister:
Dann gibt es noch weitere Probleme: Mädchen, die zu Hause wohnen und lesbisch sind, die keine Freunde mit nach Hause bringen und entsprechend zur Normalität geschuppst werden: “Was ist denn mit dir los! Bist du krank? Die anderen Mädchen ham‘ doch alle, wann kommt denn endlich mal… und wir wollen ihn mal kennen lernen” u.s.w. Die auch wieder in dieser ziemlich verrückten Situation sind, sich verstecken zu müssen, denen die Möglichkeit fehlt, sich dazu zu bekennen, zu was auch – sie kennen ja keine anderen Lesbierinnen!
Wenn ich an mich denke: mit 15, 16 bist du so isoliert, deine ganzen Freundinnen von früher nehmen sich grade ihre männlichen Freunde, mit denen kannst dann grade an dem Punkt nicht mehr drüber reden, wenn‘s bei dir losgeht. Dann bist du eben alleine.

Monika S.:
In der Beratung verschaffen wir ihnen Selbstwertgefühl, dadurch, dass wir selber Lesben sind, dass wir die ganzen positiven Seiten vermitteln und uns selbst über Frauen identifizieren.
Für mich entstand mein Lesbischsein innerhalb der Frauenbewegung. Ich glaube es ist eine Art Kampfmassnahme für viele Frauen (…) Das heißt, den Männern den Krieg erklären. Und zwar genau dann, wenn man nicht nur einfach lesbisch ist, nicht nur mit Frauen zusammen ist, sondern sich nicht mehr verkauft, sich nicht mehr unserer Sozialisation entsprechend verhält, sich nicht daran orientiert, ob Typen uns dufte finden oder nicht, sondern wenn wir einfach so sind, wie wir Lust haben.
Ab einem ganz bestimmten Punkt erschien es mir schizophren, in der Frauenbewegung politisch zu arbeiten und gleichzeitig mit Männern zusammen zu leben. Wenn man gegen die Unterdrückung kämpft, wie kann man sich dann mit den Unterdrückern zusammentun?
An zu vielen Fronten kämpfen wir gegen Männer: da wo sie uns vergewaltigen, uns fertig machen, wo sie bessere Stellen haben, trotz gleicher Ausbildung, wo sie über uns bestimmen, in der Familie, und sonst wo auch immer. Und da wir auch alle Liebe brauchen, war das für mich eine ganz einleuchtende Sache, dass ich nur noch mit Frauen zusammen bin.

Cillie Rentmeister:
Der wichtige und entscheidende Schritt liegt eigentlich da, wo frau sich entscheidet lesbisch zu sein, weil sie da große Gefahren eingeht: sie ist als Lesbierin isoliert. Ja, es stimmt einfach!! Bestimmte Kreise, gesellschaftliche, werden ihr dadurch u.U. verschlossen. Bestimmte Beziehungen eröffnen sich ihr nicht mehr. Diesen Schritt scheuen sehr viele bisexuelle Frauen, weil sie genau sehen, was auf sie zukommt, wenn sie der Männerwelt endgültig ade sagen. Dann ist nämlich der Ofen erst mal aus.

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Bisexualität

Wie kann man denn die Frauen so ablehnen, die auch mal versuchen, mit einer Frau eine Beziehung zu haben?

Monika S.:
Nein, ich glaube nicht, dass wir diese Frauen ablehnen. Aber wir nehmen ihr Verhalten kritisch aufs Korn und zeigen ihnen ihr schizophrenes Verhalten; dass sie nämlich durch ihr Verhalten Frauen ausspielen.
Wenn eine Frau eine Beziehung zu einem Mann und zu einer Frau hat, hat die Frau die schlechteren Karten. Sie kann einfach nicht die gleiche soziale Sicherheit bietet! Bisexualität ist mehr eine Spielerei – man braucht sich nicht zum Lesbischsein bekennen, zu der Beziehung zur Frau, denn da ist ja noch der Typ, man ist ja irgendwo noch normal und wird immer noch akzeptiert – ist ja alles nur eine lustige Variante.
Ich hab z.B. – wo ich doch schon so lange lesbisch bin -Beziehungen mit Männern nicht ausgeschlossen, weil ich dadurch irgendwie akzeptiert wurde, ich konnte ruhig lesbisch sein, wenn ich nur nicht, Männer als Männer einfach ablehnte!

Wie hat der Verzicht denn für dich ausgesehen?

Monika S.S.:
Also männliche Sexualität hat mir nie besonders viel geliefert. Der Verzicht war schon eher dieses Eingestehen, dass einen sämtliche Männer für verrückt erklären. Das muss man sich mal vor Augen halten: Da hat man also jahrelang ne Rolle gespielt, ne dufte Frau zu sein, hat die tollsten Flugblätter geschrieben, hat versucht, weiß der Teufel über welche Mechanismen, ernst genommen zu werden und irgendwann bekommt man verklickert, dass man doch nur als Sexualobjekt akzeptiert wird.

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Battered wives

Die Lieder der “Flying Lesbians” entstehen meist aus einer persönlichen Erfahrung. Manchmal wird aber auch ein Lied gemacht, weil bestimmte Belange der Frauen unterstützt werden sollen. So haben die Frauen der Band sich z.B. mit dem Problem der Misshandlungen in der Ehe auseinandergesetzt.

Cillie Rentmeister:
Das Lied „battered wife“ war eines unserer ersten. Ich glaub es ist schon eine ganze Weile her, zwei Jahre. Es entstand weil wir hörten, dass in London Frauen einige Häuser besetzt hatten. Du (C.P.) und Monika (Mengel) seit da hin getrampt und habt erfahren, dass die Häuser von „battered wives“ besetzt waren, von misshandelten Ehefrauen, die nun von überallher nach London flüchteten.

Da fingen wir erst an, uns davon einen Begriff zu machen: da haben wir uns hier Zeitungen geschnappt und verstanden Meldungen wie diese: “Ehemann über gießt seine Frau mit Benzin und steckt sie in Brand”, “Ehemann überrollt seine Frau mit dem Auto“ – weil sich diese Frauen trennen wollten.
Normalerweise kann ja die Polizei nicht eingreifen, sie sieht sich außer Stande, die Frauen da rauszuholen, Die Frauen haben also real gar keine Fluchtmöglichkeit. Einfach nur wegzugehen – sie müssen irgendwann zurück, um sich um die Kinder zu kümmern; meist finden sie ja auch gar keine Unterkunft mit den Kindern.
Vor vier Tagen stand in der Bild-Zeitung: vier Millionen Ehemänner schlagen ihre Frauen! Das ist ja gewaltig! Tierschutzvereine gibt‘s – aber für geschundene Ehefrauen gibt‘s nichts. Das ist schon ziemlich hart.
Eine Gruppe im Frauenzentrum will ein Frauenhaus aufbauen. Irgendwie muss es zu schaffen sein, dass der Staat das Geld gibt (Einige Monate später wurde in Berlin das 1.Frauenhaus eröffnet).

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