Intern. Tribunal zu Gewalt gegen Frauen, Brüssel 1976

Die Idee für das Tribunal zu Gewalt gegen Frauen wurde auf dem Internationalen Frauenlager im Juli 1974 in Femö geboren: Die dort versammelten autonomen Frauenbewegten misstrauten „Top-Down Schaufensterveranstaltungen“ der UN zum Internationalen Jahr der Frau 1975, und beschlossen ein autonomes internationales Großereignis aus der neuen Frauenbewegung heraus. Auf dem folgenden Organisationstreffen im August 1974 in Frankfurt schufen dann 600 Frauen die Konzeption und den organisatorischen Rahmen für ein Tribunal mit Organisationskomitees in zunächst acht Ländern.

 

Abschiedsbrief

Das Frauenzentrum(West-) Berlin in der Hornstrasse arbeitete zum Thema in mehreren Gruppen. In Vorbereitung auf das Tribunal veröffentlichten sie ihr Wissen in einer Broschüre propagierten die Tribunal Idee mit einem großen Frauenfest in der Alten TU Mensa Berlin.

 

Abschiedsbrief

 

Aus vielfältigen Gründen verzögerte sich der Tribunal-Zeitpunkt in den März 1976 – auch Geldknappheit machte dem Vorbereitungskomitee zu schaffen, denn es gab keinerlei öffentliche Fördermittel!
Eine Frau ermöglichte schließlich – nur dreieinhalb Monate vor dem geplanten Termin! – das Großereignis mit einer großzügigen Geste: die belgische Kulturministerin Rika de Backer[1] stellte in Brüssel das Palais de Congrès[2] kostenlos zur Verfügung, einschließlich der Infrastruktur von Strom bis Simultanübersetzerinnen.[3]

Aber ein grosser Saal für die Flying Lesbians konnte nicht mehr organisiert werden, stattdessen spielten sie zwei mal in den beengten aber stimmungsvollen Räumen des Maison des Femmes.

 

Christel in Brüssel

Cillie in Brüssel

Cillie in Brüssel

Cillie in Brüssel

Diana E.H. Russell, Soziologieprofessorin und Initiatorin des Tribunals, schreibt 1976:

Für viele Frauen waren die erfreulichsten Ereignisse des Tribunals zwei Partys an Samstag

und Sonntag Nacht. Einige Mitglieder des Koordinierungsausschusses waren der Meinung, dass es auch wichtig sei, dass wir auch gute „soziale Zeit“ zusammen verbringen sollten – und so luden wir die „Flying Lesbians“ ein, eine extrem populäre feministische, siebenköpfige Rockband aus Deutschland, um ein- oder zweimal während des Tribunals zu spielen.

Während sie bereit waren, kostenlos zu spielen, wie sie es immer für feministische Veranstaltungen tun, brauchten sie aber ihre Transportkosten. Aufgrund unserer finanziellen Situation hatten wir die Anmietung eines für eine große Party geeigneten Festsaals zu lange hinausgezögert,

Also hatten wir am Wochenende zwei Partys in dem viel zu kleinen Frauenzentrum, „Maison des Femmes“. Hunderte schwule und heterosexuelle Frauen tanzten überschwänglich zur Musik der Flying Lesbians, und die zusammengequetschten Bedingungen schienen niemanden zu stören. In Situationen, in denen sprachliche und kulturelle Unterschiede die Kommunikation und Gefühle der Solidarität so massiv zu behindern vermögen, können Musik, Gesang und Tanz viel effektiver sein. Das Maison Des Femmes wird nach dem ersten Frauen-Tanz nie mehr dassselbe sein. Das gleiche gilt für einige der Party-Frauen…[4]

 

 

Headlines zum Tribunal

 

[1] https://nl.wikipedia.org/wiki/Rika_De_Backer

[2] „Palais des Congrès” in Brussels – seit 2009 umgebaut und wiedereröffnet als „Square – Brussels Meeting Centre“, https://fr.wikipedia.org/wiki/Square_-_Brussels_Meeting_Centre

[3] Russell,Diana E. H., Van de Ven, Nicole (Compilors, Editors): Crimes Against Women: Proceedings of the International Tribunal. Originalausgabe Print: 1976; Kostenlos Online:  RUSSELL PUBLICATIONS, Berkeley, California 94703. USA, 3rd Edition 1990, http://www.dianarussell.com/f/Crimes_Against_Women_Tribunal.pdf, S.158

[4] ebenda,  S.12