Wie gründet Frau eine Band?

Sendung von Cristina Perincioli, SFB 1981 mit Cillie Rentmeister und Hucky Porzner von „LesBeTon“, Berliner Frauenrockband von 1979 – 1982

 

frauenmusik – musik der frauenbewegung?

Cillie:
Die Frauenbewegung ist eine Strömung mit einer eigenen Entwicklung, und die Musikbewegung ist eine andere – und manchmal hat es sich überschnitten. Die Flying Lesbians waren selber in der Frauenbewegung drin, – und damals, 1974, ging es grade unheimlich los. Da haben wir halt so Texte gemacht – die passten damals unglaublich, und alle konnten mit. Und weil die Rockmusik für uns noch ganz neu war, konnten wir auch allen möglichen Scheiß spielen, Hauptsache es waren Frauen, die endlich mal solche Sachen auch gespielt haben.

Der nächste Schritt war für mich „Lysistrara“; der Höhepunkt der Bewegung war vorüber, man fing an, sich in Projekten zu organisieren, man suchte Ausgefeilteres , Diffizileres. „Lysistrara“ fing an, eher Kunstmusik zu machen, komplizierter zu werden, feinere Instrumente dazu zu nehmen, Geige, Flöte…ausgefeiltere Arrangements.
Und dann war Schluß: Dann kam aus der Frauenbewegung erst mal keine Musik mehr, und in der Bewegung war auch Ruhe, weil alle an bestimmten Sachen
gearbeitet haben. Und bei mir persönlich, was Texte betrifft, – ich konnte nicht mehr die alte Euphorie haben. Allmählich kam die Kriegsfrage immer mehr ins Gesichtfeld. Und jetzt ging’s für mich, nach drei, vier Jahren Pause wieder los, dass ich wieder Texte machen konnte.
Mittlerweile war auch in der Musikszene etwas passiert; dass nämlich immer mehr Frauen, die nicht aus der Frauenbewegung kamen, zu den Instrumenten griffen. Die Musik wurde kommerzialisiert und inzwischen „Frauenmusik“ genannt. Das waren keine Feministinnen mehr, die wurden aber zu Frauenfesten eingeladen; dann gab´s die bewussten Kräche, wenn Frauen auf einem Frauenfest den Hitler-Gruß machten, weil sie eben aus der Punk-Szene kamen.

Das war die Phase, wo sich die Szenen mischten oder auch künstlich vermischt wurden, weil Kommerzleute ein Interesse daran hatten. Zum Beispiel „Venus-Weltklang“ zu organisieren, die Frauen als Publikum, als Geldbeschafferinnen und als Plattenkäuferinnen alle ran zu ziehen – und dabei wurden die kommerziellen Bands plötzlich zu „Frauen-Bands“, auch wenn Männer mitspielten.

Mittlerweile sind aber auch eine Menge Bands entstanden, die wieder einen engeren Zusammenhang mit der Frauenbewegung haben, wie wir „Lesbeton“ und „Ausserhalb“, „Knapp daneben“, „Unterrock“, „Gegengift“ oder alles was über „Lärm und Lust“ läuft, entsprechende Texte machen, in entsprechendem Rahmen auftreten und wieder mehr Identität haben.
Ein weiterer Unterschied ist, dass wir Amateure sind und die kommerziellen „Frauenbands“ versuchen müssen, davon zu leben, d.h. die können sich ihr Publikum nicht aussuchen, sondern müssen überall spielen. Und dann stehen sie unter einem unglaublichen Druck, immer etwas Neues bringen zu müssen, damit sie im Geschäft bleiben. Der Trend, der gerade genehm ist, ist Coolheit und Depressionen, und das mit vielen 1000 Watt verstärkt: schwarz, dunkel, düster, die ganze Welt ist finster! Ich hab Lust, was anderes auszudrücken, als dieses Frischgekachelte, Aseptische! Da wir keine Profis sind, brauchen wir uns der jetzt modischen Depression nicht so zu unterwerfen und können ruhig Tacheles reden.

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Wie gründet Frau eine eigene Band?

Viele Frauen haben eine gewisse Musikausbildung genossen, – aber wie steigt frau nun um von Geige und Querflöte auf Schlagzeug und elektrischen Bass? Wie kommt frau vom passiven nach Noten Spielen zum Selber-Komponieren?

Cillie:
Eben über die Praxis; bei anderen zugucken: wie proben die, wie arrangieren die, auf die Finger gucken.

Hucky:
Von Anfang an mit anderen zusammenspielen, sich Tips geben lassen, auch von Typen.

Cillie:
In der Regel hat ein Mädchen keine Ahnung, wie ein Stecker von da nach da geht, hat keine Ahnung von Verstärkern, – und schon deshalb ist es wichtig, Kontakt zu kriegen zu so einer Kellerwelt.

Hucky:
Ich bin sowieso dafür, dass die Frauen den Männern nicht immer nur zugucken sollen und sie bewundern, sondern dran denken sollten, dass sie das selber ja auch machen könnten.

Perincioli:
Was aber, wenn sie selber noch gar keine Instrumente haben?

Hucky:
Typen fragen, ob sie ihre mitbenutzen können. Den weiblichen Charme spielen lassen. Ja, natürlich. Ich hab auch erst auf einem Schlagzeug von Typen gelernt und die haben mich begleitet! In Berlin haben Frauen jetzt das Projekt „Lärm und Lust“, das ist ein Züsammenschluß von Musikerinnen, da gibt es eine Kartei, da kann frau, wenn sie eine Band gründen will, nachsehen, welche Frauen was spielen konnen oder möchten, und kann sich mit denen zusammentun.

Cillie:
Oder wie es die „Flying Lesbians“ gemacht haben: Wir hatten damals durch einen Aufruf im Radio die ersten Musikerinnen zusammengekriegt.

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Wieviel Arbeit und Geld für eine elektrifizierte Band?

LesBeTon üben zusammen zweimal die Woche jeweils 10 Stunden;
dazu kommen Organisations- und Reparaturarbeiten und das private Üben.
Den Übungskeller teilen sie sich mit zwei anderen Bands, so dass jede Frau monatlich für Versicherung und Miete 70, – DM aufbringen muss.
32.000, – DM kosteten Musikinstrumente und Verstärkeranlage,
bezahlt aus Ersparnissen, Taxi-Fahren, zinslosen Darlehen und einem Kortison-Test bei Schering (!).

Gitarre1000
Verstärker & Box2000
Schlagzeug7000
Syncussion1000
Synthesizer, E-Piano10000
Bass1200
Verstärker1300
Gesangsanlage5000
Mixer4000

Die beiden letzten Posten teilen wir uns mit „Ausserhalb“ und benutzen sie gemeinsam.
Auftritte in Westdeutschland machen eine Menge Unkosten, ungefähr 1.600,- Denn allein die Bus-Miete zum Transport der Gerate kostet 700,- DM, Wir selbst genehmigen uns ein Honorar von 100,- DM, die nach 2-3 Tagen Reiserei und Aufbauen auch verfressen sind. Es werden also nicht einmal die Ausgaben eingespielt, geschweige denn Gewinne gemacht.

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